Daily Performance Frauen im Freien

Installation, Zeichnungen, Fotografien

Daily Performance

Daily Performance Frauen im Freien

Daily Performance Daily Performance


THEA HEROLD
Freistehender Text
für Hannes Malte Mahler


Zur Vernissage seiner Ausstellung »Frauen im Freien«
Kunstraum »Glück21« Berlin


1.

Beginn der Performance

An Zeitlosen Orten
nie gewesen
aber lange genug
über die Stufen
von Müdigkeit
auf der Reise zur Hölle
veschwindet Helena
ehe man ihr
auf die Schliche kommt
die Türen sind dicht
und die Schlüssel
in Flammen

(aus: Handschrift von 1992)
Ende der Performance


2.

PERFORMANCE – das ist bis heute weder ein geschützter noch ein fester Begriff. Weder von der Ritualforschung, noch von der Werbesprache, auch nicht von der asiatischen Kampfkunst und schon gar nicht vom kunstwissenschaftlichen Kauderwelsch hat sich dieser Begriff vollends vereinnahmen lassen.

Performance-Art – wollen wir zumindest diese Eingrenzung wagen – ist eine Handlung, die symbolisch ausgeführt wird und eine Idee publik macht.

Hannes Malte Mahler ist nun einer, der fortwährend „perfomiert". Das hat sicher mehrere Gründe. Vielleicht zum einen, dass er ununterbrochen Ideen produziert. Zum anderen, dass er sich ohne Unterbrechung seiner Ideen auch annimmt. Und weil er dabei gar nicht erst nicht nach Zuordnung sucht, sondern sich aus dem Chaos, durch das Chaos, unerschrocken in neues kreatives Chaos stürzt – muß er es das – so paradox das klingt – ordentlich herzeigen.

Dieses fortwährende Machen produziert über kurz oder lang, planmäßig eine für ihn typische Welle, die ihn aus dem heimatlichen Hannover losreißt, hochhebt, weiterträgt und an neue Gestade schwemmt.

In diesem Universum oder in einem Anderen. Das weiß auch der Künstler so genau nicht, jedenfalls nicht immer.

Zum Glück schwemmte es ihn heute zu uns und hierher. Also schweben nun seine Leuchtkästen im Raum und holen für uns die Bilder der Freien Frauen von draußen zurück unters Dach. Und deshalb warten penibel geordnet und aufgerastert die lavierten Zeichnungen aus dem Album der Familie auf ihre „daily performance".

Eine Verbindung dieser beiden seriellen Projekt-Ideen – begonnen 1998 und 2001 – ist auf den ersten Blick gar so nicht leicht zu erkennen. Noch verwirrender wird es, wenn man sich die Vorgeschichte vornimmt, bevor man die Bilder hier als Nachgeschichte zu dechiffrieren versucht.

Mahler, Hannes Malte, geboren 1968 hatte sich von Anfang an geradezu rauschhaft um künstlerische Ausbildung bemüht. Zehnmal war es umsonst. Beim elften Mal nahm man sich seiner an. An der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig begann er bei Siegfried Neuenhausen zu studieren und endete erfolgreich 1999 als Meisterschüler bei Marina Abramovic. Seitdem hat er Performance zu seinem eigenen Thema gemacht. Seitdem versucht er sich nicht mehr zu erklären. Seitdem läßt er lieber die Arbeit reden. Als wie er selbst es beschreibt „re-arrangements of the world in a piece" .

Eine Ausstellung wie diese funktioniert bei ihm wie eine große telepathische Übertragungsmaschine. Sie stellt einen Augenblick ins Zentrum der Betrachtung und bringt Momente zusammen, so wie sie irgendwie jeder von uns von irgendwo kennt. Seine Kunst holt weit Entferntes wieder nahe heran. Vergessenes aus der Biografie. Orte, Jahre und Stimmungen. Alles lange vorbei: Diese Show aus dem Familienalbum, die Feier im Garten, der Tanz zur Musik einer Beat-Band der Sechziger, die Würstchen-Mahlzeit am Zelt, der Kuß für die Kamera, die Begegnung am Meer, der Skiausflug, die Farbe aus dem Lieblingspullover, der Ritt auf Vaters Schultern am Sonntag, nachmittags vor der Sportschau und Mutter machte schnell noch ein Bild.

Nichts mehr da davon.

Nur noch das Bild. Und hinter dem Bild – vielleicht die Erinnerung. Einige blieben immer noch frisch. Andere dagegen waren schon so mausgrau geworden, filzig wie eine Staubflocke, die jetzt auffliegt und in Bewegung kommt.

Und ebenso sehr von Erinnerung durchwirkt, wie sich Momente aus Mahlers Familienbildern bannen, lassen Frauen im Freien sich von ihm entdecken. Es waren auch dabei die Nach-Blicke, voll mit intensiver Regie. Nix da Zufall. Der Blick eines Mannes geht gerne den Frauen nach. Die ihrerseits so tun, als wüßten sie von nichts. Aber das tuen wir Frauen ja gern. Als hätten wir keine Ahnung davon, wie sehr und wie genau dieses Spiel kalkuliert ist. Als wären wir einfach allein unterwegs. Aber das ist keine von uns. Das ist in Wirklichkeit niemand. Allein unterwegs ist kein Mann, und keine Frau.

Unterwegs zu sein – das heisst ja, dass man von irgendwo her kommt. Und nach irgendwo hingeht. Die Künstler, oder wie sich mentale Nomanden auch immer mal nennen, reisen schneller oder auch langsamer in Raum und Zeit. Mahler macht es nachweislich sehr intensiv. Unerschrocken im Stil-Mix, ohne das Gen für Lampenfieber, probiert er aus, was ihm passiert. Entscheiden – was davon bleiben soll – kann er ja später.


3.

Die wichtigste Qualitätsstufe bleibt am Ende bei der Arbeit für Hannes Malte Mahler, seine Freiheit zu wählen. Er kann die unerbittliche Zeitmachine anhalten für „daily perfomance". An diesem oder jenen Moment. In der Kunst geht das schon, das ist ja ihre Magie.

Innezuhalten für einen Atemzug. Für einen Blick. Für ein Foto. Eine Musik. Für eine Eintragung .

Letztendlich für ein Bild, das ebenso zufällig wie notwendig entstand. Weil es vielleicht damals so oder auch anders war.

Aber heute so und nicht mehr anders erinnert sein will.

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